- SANTA
FE
- with
Pinchas Zukerman & Marc
Neikrug
- Review
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- NEUE
ZÜRCHER ZEITUNG
- © 24. April
1996 Nr. 95 52
-
- Blick auf den
Bildschirm
-
- Eine Sonate als
Lebensaufgabe
-
- azn. Von der
wenigen Kammermusik, die der Wahlfranzose deutscher
Abstammung,
- César Frank,
komponiert hat, ist vor allem die A-Dur-Sonate
für Violine und
- Klavier (1886) zu
Berühmtheit gelangt. Der Geiger Pinchas Zukerman
meint, er
- hätte das Werk
nicht sonderlich gemocht, bis er dafür endlich
den richtigen
- Pianisten gefunden
habe: Marc Neikrug. Das sei bei diesem Werk sehr
wichtig,
- weil es teilweise
wie «falsch» in der Hand liege. Neikrug
selber bezeichnet
- die Sonate als
«life sentence»; sie zwinge einen dazu, sie
sein Leben lang
- zu spielen. Mit
Zukerman habe er sie vielleicht schon hundertmal
gespielt.
-
- Das ist ihrer
Interpretation nur insofern anzumerken, als sie
eine
- erstaunliche Reife
und Intensität hat. Aber ausgeleiert, ausgespielt
klingt
- die
Konzertaufzeichnung vom Oktober 1992, die Georges
Gachot seinem
- halbstündigen
Film über die beiden Interpreten und ihre
Beziehung zum Werk
- zugrunde gelegt
hat, in keinem Moment.
- «Pinchas
Zukerman in Santa Fé - César Franck:
Sonate» lautet der Filmtitel.
-
- Das ganze Werk wird
gespielt; seine ersten beiden Sätze erklingen
im
- Hintergrund zu
launig-humorigen Aussagen von Zukerman, selten auch
von
- Neikrug. Gleichsam
mit einem Paukenschlag lässt Gachot das beginnen:
Die
- Geige sei das
widernatürlichste Instrument, meint Zukerman. Und
er
- demonstriert die
verdrehte Körperhaltung, die er nun seit seinem
siebten
- Lebensjahr
einnehmen müsse, schildert die «tremendous
pains», die
- fürchterlichen
Schmerzen im Rücken und in den Schultern, die
das
- Violinstudium mit
sich bringen könne. Er spricht davon, dass die
Essenz der
- vergangenen 300
Jahre Musik aus Deutschland komme und dass
«germanic music»
- sein Leben sei. Er
zeigt liebevoll seine «Fiddle», eine
Guarneri del Gesù,
- erzählt, dass
er am selben Tag Geburtstag habe wie der
Widmungsträger der
- Franck-Sonate, der
Geiger Eugène Ysaÿe. Ohne mit der Wimper
zu zucken:
- «Vielleicht
bin ich eine Reinkarnation von Ysaÿe. Maybe. I
don't know. I
- don't think
so.» Wenn ja, dann sei er aber sehr dankbar, denn
das sei ein
- phantastischer
Meister gewesen.
-
- Eine unterhaltsame
Plauderei also, aber sehr gut an die Musik anlehnt.
Das
- d-Moll-Allegro
beispielsweise ist den Aussagen über die
Beziehung von Geiger
- und Pianist
unterlegt. Leidenschaftliche Bewegung: Von der Suche
nach dem
- richtigen Pianisten
ist die Rede, von den Schwierigkeiten, die
insbesondere
- dieser zweite Satz
biete. Die Geige singt über dem wühlend
überleitenden
- Klaviersatz:
Neikrug spricht von seinem Freund und Partner, vom
idealen
- Geigenklang, den
Zukerman für ihn als Person verkörpere.
Lyrisches,
- gleichsam in sich
ruhendes Nebenthema: Zukerman beschreibt Neikrugs
innere
- Stärke und
stellt fest, dass sie beide an derselben Stelle im
Leben
- angelangt seien, wo
man sich bei seiner Arbeit wohl und sicher fühle,
mit
- sich selber
zufrieden sei. Was nicht heisse, dass man aufhöre
zu lernen . .
- ..
-
- Nach der
amüsanten Causerie in der ersten Viertelstunde
ist man dann froh,
- dass die Musik, von
deren Realität, deren Wirkung auf den
Menschen
- gesprochen wurde,
mit dem dritten Satz und dem Finale in den
Vordergrund
- rückt. Denn
das Zusammenspiel von Zukerman und Neikrug, ihr
gemeinsamer
- Atem, ihre
Sicherheit im Umgang mit der Architektur der Musik,
ihre sehr
- besondere Art, sie
zu fast orchestral-farbiger Wirkung zu bringen, sind
es
- tatsächlich
wert, kommentarlos gehört zu werden.
- (DRS, 21.
April)
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- © Neue
Zürcher Zeitung NZZ 1996
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